Das Servicepersonal auf Wertstoffhöfen hat vielfältige Aufgaben, die in den letzten 20 Jahren deutlich anspruchsvoller geworden sind. Die Mitarbeitenden sind verantwortlich für die Annahme aller Wertstoffe, derer sich die Bürgerinnen und Bürger oder Gewerbetreibende entledigen möchten, müssen blitzschnell erfassen, welche Fraktionen die Kundinnen und Kunden dabeihaben und entscheiden, wo und wie diese einzusortieren sind. 

Das Anforderungsniveau steigt: Organisationsgeschick und Kommunikationskompetenz sind gefordert

Manchmal muss auch bewertet werden, ob ein bestimmter Abfall aufgrund geltender Vorschriften überhaupt angenommen werden darf und falls ja, unter welchen Sicherheitsvorkehrungen. Asbest, künstliche Mineralfasern oder Pflanzenschutzmittel zählen beispielsweise zu den sogenannten Problemstoffen und dürfen gemäß TRGS 520 nur von Fachpersonal entgegengenommen werden. Neue Technik oder Baustoffe, die es vor wenigen Jahren noch gar nicht gab, kommen mit Zeitverzögerung zur Entsorgung auf dem Wertstoffhof an, wie Solarmodule, Carbonfasern oder Lithiumbatterien. Auch die Mitarbeitenden, die nicht in der Schadstoffannahme tätig sind, müssen diese neuen Wertstoffe erkennen, richtig einsortieren und die rechtlichen Vorgaben im Blick behalten können. „Der sulfathaltige Gasbetonstein (Y-Tong) durfte bis vor ca. zwei Jahren im Bauschutt entsorgt werden“, sagt Dr. Martina Peters, Lehrende bei der Akademie Dr. Obladen und der Bayerischen Verwaltungsschule. „Durch eine gesetzliche Neuregelung ist dies nun nicht mehr möglich, weil der Stein den zulässigen Sulfat-Grenzwert übersteigt. Die Mitarbeiter müssen über derartige Neuerungen stets informiert sein.“ Aktuell haben alle Wertstoffhöfe mit der Annahme von Elektroaltgeräten zu kämpfen – erst recht, wenn Batterien enthalten sind. Die Entnahme und das ordnungsgemäße Verpacken ist eine Wissenschaft für sich. Je nach geltenden Regeln der Kommune muss das Servicepersonal zudem für vereinzelte Fraktionen Gebühren festlegen und kassieren, Holz kategorisieren, Elektrogeräte sichten, Sperrmüll annehmen, Fahrzeuge einweisen und ein Betriebstagebuch führen. Vor allem in Stoßzeiten bedarf es ein hohes Maß an Übersicht und Souveränität. Hinzukommt die mitunter hohe nervliche Belastung beim Umgang mit schwierigen Kundinnen und Kunden: Unfreundliche und beleidigende Ausdrucksweisen, schlechte Zahlungsmoral oder gar Körperverletzung sind nicht selten und machen den Wertstoffhof mitunter zur „Kampfzone“. Wie gut die Mitarbeitenden damit umgehen können, hängt auch mit ihrer Qualifikation zusammen, doch der Ausbildungsstand des Wertstoffhof-Personals kann sehr unterschiedlich sein. Ein einheitlicher Standard ist keine Pflicht, deshalb gibt es ihn bislang nicht.

Höhere Qualität auf dem Wertstoffhof und zufriedene Kunden erfordern eine zunehmende Professionalisierung

Einige Mitarbeitende sind ausgebildete Fachkräfte für Kreislauf- und Abfallwirtschaft, andere wiederum haben eine fachfremde Ausbildung als Mechaniker oder Schreiner durchlaufen.Oft handelt es sich aber auch um Teilzeitbeschäftigte ohne einschlägige Berufsausbildung: In einigen Betrieben gibt es nahezu 90 Prozent Quereingestiegene, die sich ihr Wissen durch Learning by Doing angeeignet haben oder von Kolleginnen und Kollegen im hauseigenen Betrieb in sehr kurzer Zeit angelernt wurden. „In aller Regel werden neue Mitarbeiter einem erfahrenen Mitarbeiter zur Seite gestellt und sollen von diesem lernen. Je nachdem, wie der Mitarbeiter gebraucht wird: einige Tage bis 3 Wochen. Dann soll der Neue allein zurechtkommen“, so Peters. Einige Wertstoffhöfe bieten ihren Mitarbeitenden Fortbildungen an, diese beschränken sich jedoch jährlich auf ein oder zwei Tage. Von einer Weiterbildungskultur auf Wertstoffhöfen kann keine Rede sein. Oft stehen dem Wunsch nach Qualifikation und Fortbildung die hohen Kosten entgegen: „Bildungsmaßnahmen bringen erstmal keinen Mehrwert in Form von steigenden Einnahmen“, bemerkt Peters. „Die Kunden haben ja keine Alternative und müssen mit demjenigen Mitarbeiter Vorlieb nehmen, der sie beim Wertstoffhof in Empfang nimmt. Demgegenüber stehen zwar die nicht anfallenden Kosten, wenn durch gut ausgebildete Servicekräfte weniger Fehlwürfe produziert werden, diese sind aber selten sichtbar.“ Zufriedenstellend kann die derzeitige Situation nicht sein, denn es ist durchaus wichtig, auch nicht fachgerecht ausgebildete Mitarbeitende nach einem gewissen Qualitätsstandard zu schulen: Eine gut ausgebildete und informierte Servicekraft macht weniger Fehler, gewinnt Sicherheit im Umgang mit verschiedenen Wertstoffen, kann den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber kompetent auftreten und diese über die korrekte Entsorgung informieren. 

Ein Lehrgang schließt nun die Qualifizierungslücke: Der Start erfolgt Anfang 2020

Die Akademie Dr. Obladen plant deshalb eine modular aufgebaute Qualifizierungsmaßnahme für Personen ohne einschlägige Berufsausbildung, damit diese qualifiziert Wertstoffe annehmen und sortieren, kompetent Kundinnen und Kunden beraten, erfolgreich alle organisatorischen und wirtschaftlichen Belange lösen sowie aufmerksam auf Gesundheit und Arbeitsschutz achten können. Zur Zielgruppe gehören auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die intern aus anderen Bereichen (z.B. Kraftfahrende) oder aus gesundheitlichen Gründen versetzt wurden sowie Personen in einer durch die Bundesagentur für Arbeit geförderten Qualifizierungsmaßnahme. Innerhalb von vier Wochen, verteilt über einen längeren Zeitraum, sollen die Teilnehmenden zu Wertstoffhof-Servicekräften ausgebildet werden.„Inhaltlich geht es unter anderem um Kreislaufwirtschaft, Abfallrecht, Stoffstrommanagement, chemische Grundlagen, Gefahrenstoffe, Logistik, Arbeits- und Brandschutz, Betriebswirtschaft aber auch um professionellen Kundenkontakt.“Zum Ende jeder Woche wird der vermittelte Lehrinhalt mit einer Lernzielkontrolle überprüft. Die Module können einzeln gebucht werden, so dass die Vermittlung der Inhalte über einen gewissen Zeitraum gestreckt werden kann. „Die durch die Maßnahme qualifizierten Servicekräfte sollen, können und dürfen jedoch die ausgebildeten Fachkräfte eines Wertstoffhofes nicht ersetzen, die eine dreijährige Ausbildung in Theorie und Praxis hinter sich haben“, sagt Peters ausdrücklich. „Das Bildungsangebot soll unter anderem zu einer verbesserten Verständigung unter den Kolleginnen und Kollegen beitragen und den Qualitätsstandard von Wertstoffhöfen insgesamt anheben.“ Für Leitende von Wertstoffhöfen ist die Qualifizierungsmaßnahme eine sich langfristig lohnende Investition, die über den reinen Zugewinn an Fachwissen hinausgeht: Das Ermöglichen von Weiterbildungen ist auch immer ein Signal an die Belegschaft, dass ihre mitunter herausfordernde Arbeit geschätzt und gefördert wird. Wertgeschätzte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind motivierter und leisten deshalb qualitativ bessere Arbeit; zugleich wachsen Verbundenheit und Identifikation mit dem Betrieb. Wann und wo genau die Qualifizierung durch die Akademie Dr. Obladen beginnt, steht derzeit noch nicht fest. Planmäßig soll sie im Frühjahr 2020 in Bayern starten. Anmeldungen sind bereits möglich unter der Nummer +49 (30) 2100548 – 10. 

 

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